Was ist Schamanismus ?
Man geht davon aus, dass Schamanismus seit mehr als zehntausend Jahren praktiziert wird. Der Schamane, bzw. die Schamanin spielte bei den frühen Völkern der Jäger, Sammler und Fischer eine zentrale Rolle für die sozialen, gesundheitlichen und gesellschaftlichen Aspekte der Stämme. Schamanen und Schamaninnen gab es auf praktisch allen Kontinenten in den verschiedensten Kulturen und es gibt sie bei etlichen Völkern auf der ganzen Erde zum Teil auch heute noch (und wieder!).
Das Weltbild des Schamanen und der Schamanin
Wir finden bei den verschiedenen Kulturen weltweit eine grosse Uebereinstimmung, was das schamanische Weltbild betrifft.
Einmal kann man die Wahrnehmung des Individuums unterteilen in eine sogenannte alltägliche Wirklichkeit (aW genannt), wie wir sie normalerweise erleben; und eine nichtalltägliche Wirklichkeit (naW), die Schamanen durch eine Veränderung ihres Bewussseins erleben.
In der naW finden sich dann im wesentlichen drei Welten. Dies sind die mittlere Welt, die derjenigen in der aW entspricht, in der wir uns bewegen; dann die obere Welt, die Welt des Geistigen, der Lehrerinnen und Lehrer; und schliesslich die untere Welt, die Welt der Kraft und der Erde.
Diese Welten sind durch den Weltenbaum miteinander verbunden. Diese Ebenen in der naW sind nun insbesondere das Aktionsfeld der Schamanen bei ihrer Arbeit. In die obere Welt reisen sie, wenn es um Weisheit geht, wenn sie ihren Lehrer oder ihre Lehrerin treffen, um geistige, soziale oder politische Probleme zu lösen. In der unteren Welt treffen sie unter anderem Tier- und Pflanzenhelfer, die ihnen bei Fragen von Gesundheit, Wachstum oder Nahrungsbeschaffung helfen.
Die Arbeit der Schamanin und des Schamanen
Schamanen verändern ihr Bewusstsein mittels Trommeln, Rasseln, Gesängen, Tänzen oder bewusstseinsverändernden Substanzen.
In diesem veränderten Bewusstsein nehmen sie Kräfte und Wesen in der naW wahr und können mit ihnen in Beziehung treten. Insbesondere unternehmen die Schamanen zu ganz bestimmten Zwecken auch Reisen im Geiste in die verschiedenen Welten der naW.
Die Schamanen zelebrieren auch verschiedene rituelle Handlungen, um mit den Kräften der naW in Kontakt zu treten. Dazu gehören z.B. Behandlungen von kranken Menschen, wo die Schamanen in der aW Handlungen ausführen, die in die naW reichen und dort Kräfte mobilisieren.
Eine weitere wichtige Aufgabe der Schamanen liegt in ihrer Funktion als Bewahrer und Vermittler von traditionellem Wissen um die Beschaffenheit der Welt. Sie sind auch Ueberbringer von Botschaften aus der Geisterwelt an ihr Volk.
Die Bedeutung des Schamanismus für die Welt heute
Nebst dem traditionellen Schamanismus, der auch heute noch in einigen Kulturen ausgeübt wird, entwickelt sich ein neuer Schamanismus in Kulturen, in welchen dessen Wurzeln längst vergessen sind.
Viele Menschen der heutigen Zeit haben ihre Wurzeln verloren. Sie sehen nicht mehr mit den Augen des Herzens. Man könnte sagen, sie leben oberflächlich.
Ihre Wahrnehmungen beziehen sich nur noch auf Oberflächen. Ihre Beziehung zur Welt haben sie auf die Oberfläche des Fernsehbildschirms reduziert; die Beziehung zur Nahrung auf das Aussehen von künstlich veränderten, kunststoffverpackten Materialien; diejenige zu Tieren auf Fell und Pelz und die Beziehung zum eigenen Körper auf modediktierten Haut- und Textiloberflächen.
Das eigentliche Wesen des Menschen unter der Oberfläche wird nur noch mangelhaft ernährt, sucht aber verzweifelt nach Nahrung.
Dadurch entsteht Sucht und Krankheit.
Da ein solcher Mensch sich von anderen Menschen als getrennt glaubt, entstehen Abgrenzung und Aggression. Ebenso führt das Gefühl, von der übrigen Umwelt getrennt zu sein, zu umweltzerstörendem Handeln.
Die Welt schamanisch zu erleben verbindet den Menschen mit seinen Wurzeln, mit der Erde und mit dem Geist.
Seine Sicht erweitert sich, sein Gefühl vertieft sich und er erkennt die Wesen unter den Oberflächen. Er fühlt wieder klar seine Verbindung mit anderen Menschenwesen und mit der Mitwelt und wird dadurch friedlicher im Umgang mit allem was lebt.
So kann sich der Mensch vom Parasiten im Weltgefüge wandeln und wieder zum achtsamen Mitglied werden im grossen Kreis von allem Lebendigen.
Barlok
erschienen 1994 für das Flugblatt der KREISZEIT