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Sexualität

Eine schamanische Reise zum Wesen der Sexualität

Ich gehe durch einen meiner gewohnten Durchgänge in die Untere Welt. Dort gelange ich aber in eine mir unbekannte Landschaft und falle in einen Teich, welcher mit einer grauen breiartigen Masse gefüllt ist. Sofort klettere ich aus dem blubbernden Teich und da beginnt die Masse, welche meinen ganzen Körper bedeckt, zu erstarren, bis ich mich nicht mehr bewegen kann.

Da stehe ich nun, eingebacken in eine steinharte Hülle und kann nichts mehr tun.

Nun kommt eine riesige Schlange heran, greift mich sanft mit ihrem Maul und trägt mich weg. Das Schlangenwesen bringt mich zu seinem Nest und legt mich hinein. Oben ist alles ziemlich dunkel, aber das Nest aus Zweiglein scheint von innen gelblich zu leuchten. Nun schlingt die Schlange Windung um Windung ihres massigen Körpers um mich und es wird immer wärmer. Ich fühle Atem und Puls des mich umgebenden Körpers und ein starkes Gefühl von Geborgenheit erfüllt mich.

Der Panzer um meinen Körper hat sich zu einem Ei verwandelt, in dessen Innerem ich liege - ich schwebe nun in einem Raum von Geborgeheit. Da bildet sich unten - oder oben? - eine Röhre und ich gleite durch diese hinunter, falle immer schneller und komme in eine nächtliche Landschaft. Da ist eine Lichtung inmitten lockerer Laubwälder in einem leicht hügeligen Gelände.

Ich bemerke, dass ich nun ein Wolf bin und rieche die Erde und - irgendwo - einen Hasen. Doch da greift ein anderer Geruch in meine Nase, ein Geruch, der alles andere verdrängt und dem zu folgen es mich drängt. Ich finde eine Wölfin in ihrer Hitze und wir rangeln eine Zeitlang herum. Es ist seltsam, wie ein Tanz, eine Leichtigkeit und Verspieltheit. Dann besteige ich sie und dabei fühle ich mich hintenüberfallen.

Ich finde mich als Mensch wieder, sehe durch ein Fenster den Vollmond silbern scheinen und fühle Wellen der Lust durch meinen Körper gleiten. Da entdecke ich, dass ich einen weiblichen Körper habe. Ein Mann ist bei und in mir und dieses Gefühl von Wellen aus meinem Schoss, durch den Bauch und hoch in beide Brüste erfüllt mich ganz.

  

Da sehe ich das Gesicht des Mannes über mir - und blicke mir selbst in die Augen. Ich erschrecke und stelle fest, wie schwer es mir fällt, so dicht bei mir selbst zu sein. Wir küssen uns, mir wird dabei leicht schwindlig und nun bin ich im männlichen Körper. Ich blicke die Frau an, die mich umwogt und ein grosses Glücksgefühl erfasst mich. Wir bewegen uns in einer gemeinsamen Melodie und dann finde ich mich plötzlich wieder im Nest der Schlange. Das Ei habe ich verlassen und liege in der wärmenden Umarmung der grossen Urmutter.

Nach einer Weile befrage ich das sanfte Schlangenwesen nach der Bedeutung meiner Erlebnisse und sie erklärt folgendes:
"Früher schon habe ich dir dies erklärt, dass nämlich jedes Menschenwesen sowohl männlich wie weiblich ist. Dies ist die ausgewogene Harmonie in der geistigen Welt. Die materielle Welt ist allerdings polar und so hast du dich in einem männlichen Körper inkarniert. Deinen weiblichen Teil kannst du nun nicht voll leben und so drängt es dich zum Weiblichen hin. Dies ist auch für alle Frauen so, sie haben ihren männlichen Teil zurückgelassen und suchen nach ihm. Diese Gesetzmässigkeit sorgt dafür, dass auf der materiellen Ebene die Fortpflanzung gesichert ist.Deine Erfahrungen dieser Reise haben dir nun gezeigt, wie wichtig es ist, den Teil, den man lebt, voll und ganz anzunehmen und den anderen Teil in sich zu finden. Du hast die Möglichkeit, eine schamanische Reise zu der Frau in dir, und eine Frau kann eine Reise zum Mann in ihr machen. Dies hilft euch, Gedanken und Gefühle zu harmonisieren und ganz zu werden. Wenn eine Frau und ein Mann zusammen sind und sich beide der Situation, wie ich sie hier erklärt habe, bewusst sind, dann können sie eine wirklich schöne Zeit ohne Schmerz und Zwang miteinander erleben."

Ich danke dem Schlangenwesen und kehre zurück.

Aus KREISZEIT Nr. 12 / 1997 // Bär