Psychopompos
oder das Geleiten einer ver(w)irrten Seele
von Walter Honegger
Die Szenen um den Tod und den damit verbundenen Situationen, sind oft mit sehr starken und unvergesslichen Bildern und Emotionen belegt; Bilder, die uns nicht nur in der alltäglichen Wirklichkeit zu erschüttern und zu fesseln vermögen.
Ich habe in meinem bisherigen Leben zwei persönliche Beziehungen zu Menschen gehabt, die Selbstmord begangen haben.
Beim ersten Fall konnte ich keine schamanische Hilfe bieten. Ich musste zusehen, wie Einer, nachdem er aus dem fünften Stocke eines Hauses gesprungen war, starb. Den Aufprall höre ich noch heute, das Zucken und Aufbeben seines Körpers im Todeskampf haben später wegweisend auf mich eingewirkt, indem Psychopompos für mich zu einer wichtigen schamanischen Arbeit wurde.
Dieser, auf den ersten Blick scheinenden "Machtlosigkeit" einer solchen Situation zu begegnen, aktiv mit diesen "Seelen" ein Stück weit zu gehen, sie zu (be)geleiten, wenn der Körper von der Seele verlassen wird, ist aktive schamanische Seelenarbeit.
Psychopompos ist aber nicht nur schamanische Arbeit bei Menschen, die gewaltsam aus dem Leben treten. Es ist zweifellos ein grosses und einnehmendes Kapitel und der Inbegriff für "Arbeit mit dem Tod" im Schamanismus.
Wenn wir im klassischen Schamanismus, auf dem Rücken liegend, auf eine Reise gehen in die Nichtalltägliche Wirklichkeit, so ist dies für uns als Schamanen ein Stück weit eine "letzte Reise". Auf dieser Reise gehen wir nicht nur durch den Tunnel, der von so vielen Nahtod-Erlebenden beschrieben wird, sondern wir können an Orte vordringen, bei denen es kein Zurück mehr gibt, "wenn die Seele nicht mehr zu Hause bleibt". Und wir sollten uns als Seelengeleiter bewusst sein, dass es für uns bei dieser Arbeit gefährlich sein kann.
Weiter zu erwähnen wäre, auch wenn es selbstverständlich scheint, dass die Seele ohne den Körper auf die letzte Reise geht, auch wenn ich als Mitreisender den Körper des Sterbenden oder Verstorbenen sehen kann.
Ich habe Suizid als spezifisches Thema für den Psychopompos gewählt, weil die damit verbundene Arbeit schwieriger sein kann als andere, in diesem Zusammenhang stehende Tätigkeiten. "Psychopompos hat Parallelen zur Seelenrückholung, die oft darauf hinausläuft, mit anderen Wesen zu verhandeln". Wir verhandeln innerhalb von Energiefeldern mit Energieformen, denen wir Namen, Formen und Geschichten geben. Bei der Seelenrückholung versuchen wir, Seelenteile zu finden, die wir bei der Rückkehr in der alltäglichen Wirklichkeit unseren Klienten durch das Kronenchakra (höchster Punkt am Kopf) einhauchen.
Beim Psychopompos geht es darum, bewusst zu machen, dass der Zustand Tod definitiv ist und wir die Seele oder Teile davon nicht in die aW zurückbringen können! Es kann schmerzhaft sein, einer solchen Seele mitteilen zu müssen, dass sie nicht zurück kann, weil sie nicht realisiert, dass in diesem Fall der Suizid gelungen ist oder dieses negiert. Es ist wirklich wichtig, es diesen Seelen mitzuteilen, damit sie nicht noch lange Zeit im Zwischenbereich von Leben und Tod hängen bleiben und Menschen oder Orte besetzen.
In der Nichtalltäglichen Wirklichkeit
"...Ich sah, wie bei diesen meinen eindringlichen Worten langsam Tränen über ihre Wangen rollten und ich wusste, dass sie es nun end-gültig verstand. Ich schloss die in einen schwarzen Umhang Gekleidete ein letztes Mal in meine Arme und spürte, wie es ihr unendlich leid tat, diesen Schritt begangen zu haben. Die anfängliche Ratlosigkeit und Angst wich nun aber einem intuitiven Wissen, als wir am Rande dieses tosenden Wasserfalls standen.
Etwas Widerstand machte sich aber trotzdem bemerkbar, wie sie sich hätte den Fluten übergeben müssen, die mich selbst wie magisch anzogen. Ich musste mich in Rückenlage begeben, um nicht von diesem unheimlichen Sog mitgerissen zu werden, als ich ihr diesen sanften Stoss gab, der sie fort zog. Was anfänglich und von weitem wie ein Wasserfall ausgesehen hatte, verwandelte sich aus der Nähe in einen nicht weniger beeindruckenden Lichterfall, dessen Fliessrichtung aber statt nach unten, wie wir es gewohnt sind, nach oben floss.
Ich hörte noch einige sich rasch entfernende Schreie, die bei mir aber den Eindruck von Erstaunen hinterliessen, bevor sie ganz aus meiner Sicht verschwand..."
Hinweise zur Reisetechnik
Einmal aus dem Tunnel gekommen, in den man entweder alleine oder mit seinen Krafttieren gereist ist, mit der Frage oder dem Hinweis, dass man zu einer bestimmten Person geführt werden will, beginnt die Arbeit.
Es ist wünschenswert und gut für die betroffene Seele, das Hinübergeleiten in das Reich der Toten in einer einzigen Reise zu erledigen und auch mit dieser Absicht in den Tunnel zu gehen. Wir merken automatisch, wo die für uns "verbotene" Zone beginnt, die sich wie im obigen Beispiel manifestieren kann. Es kann aber auch ein Tor sein oder ein offenes Grab, ein Fluss oder ein Schiff etc. Es hat keinen Sinn, an diesem Ort auf Experimente aus sein zu wollen, da diese zu gefährlich sind oder werden könnten. Wir werden alle einmal auf diese letzte definitive Reise gehen und ich möchte an dieser Stelle dazu aufrufen, sich lieber zu Lebzeiten mit dem Tod zu verbünden und "ihn" des öfteren bei derArbeit zu begleiten, um sich so mit ihm zu verbünden, statt ihn bis zum Tage X zu ignorieren.
Weiter Anwendungsbereiche des Pychopompos sind zum Beispiel:
- Verstorbenen, die einen Menschen oder einen Ort besetzt halten, das letzte Geleit zu geben.
- Menschen auf den Tod vorzubereiten, indem man mit ihnen zusammen diese Reisen ins Reich der Toten macht und zusammen wieder zurückkehrt.
Zum Schluss möchte ich eindringlich davor warnen, dass ungeübte und in dieser Arbeit nicht vorbereitete Menschen die hier besprochenen, schamanischen Arbeiten alleine anwenden. Es ist ein Muss, sich auf diesen Gebieten vorher an erfahrene SchamanInnen zu wenden
Dieser Beitrag ist in der Kreiszeit erschienen.