Erinnerungen und Gedanken von Carl Speglitz

Bewusst wurde mir erst im Erwachsenenalter, dass ich schon im Kindergarten am liebsten mit Farbstiften zeichnete. Das hatte die Kindergärtnerin bald bemerkt, und so setzte sie mich oft abseits in einen Nebenraum mit Zeichenblatt und Farbstiften.
Dann stellte sie mir eine Zeichenaufgabe, die ich sofort mit Feuereifer ausführte. Am Mittag nahm die Kindergärtnerin die Zeichnung zu sich. Das wird wohl auch der Grund sein, weshalb in meiner Sammlung keine dieser Blätter zu finden sind...

Ich hatte Glück, das mich von der Unterstufe bis zur Sekundarschule alle Lehrer förderten. Der Zeichenlehrer der letzten drei Schuljahre stachelte meinen Ehrgeiz auf sehr besondere Art an: Er zeichnete mir z.B. willkürliche Linien und Zeichen auf mein Blatt und forderte mich auf, diese in einem Bild zu integrieren. Oder er stellte mir nicht dieselben Aufgaben wie der restlichen Klasse. Erstaunlicherweise wurde ich bewundert und nicht benieden!
Dieser Lehrer wollte mich auch zu Bestleistungen anspornen, indem er mir immer nur eine 5.5 ins Zeugnis schrieb, bis dann im Abschlusszeugnis eine dicke, grosse 6 stand!.....

Meine Weiterbildungsjahre an der Kunstgewerbeschule Zürich standen ganz unter dem Einfluss der beiden Malerpersönlichkeiten Johannes Itten und Ernst Gubler.
Standen bei J.Itten die malerischen Elemente wie Harmonie der Farben, Wirkung und Eigenschaften derselben, sowie Farbkontraste im Vordergrund, waren es bei E.Gubler die kompositorischen Elemente, die es zu bearbeiten galt.
Diese Einflüsse haben sich in meinem künstlerischen Schaffen so stark niedergeschlagen, dass sie mich sogar in meiner Lehrtätigkeit an der Kunstgewerbeschule Bern als Leitbilder begleiteten.

Paris 1947...

Es war eine verrückte Zeit, damals! Auf der einen Seite waren es die Anhänger der abstrakten Malerei, die ihre Arbeiten als die einzig wahre Malerei anpriesen; auf der anderen Seite verdammten die Traditionalisten das Neue als Schmiererei und Entartung. Dazu kamen noch die Vertreter der "Nouvelle Ecole de Paris", einer abstrakt-figurativen Richtung mit Bazaine, Estève, Manessier, u.a.
Ich fühlte mich mehr den letzteren zugehörig. Vor allem waren es die immer wieder zitierten Sätze André Lhôtes, die mich in den langen Jahren des Suchens stark beschäftigten:
"Trouvez des formes nouvelles devant la nature",
"Malerei ist nicht Kopie, sondern Komposition",
"Faire ca, sans faire ca".
Ich habe um die neuen Formen gerungen, oft bis an die Grenzen der Verzweiflung. Während sich die eine Gruppe in den Ateliers von Gordes einschloss, um ja nicht von äusseren Dingen beeinflusst zu werden (denn alles musste von innen heraus entstehen!), malten wir draussen vor der Natur und liessen uns von ihr beflügeln zu immer neuen Formen...

Schweden 1950...

Ich arbeitete an der Westküste bei Göteborg. Es war eine zufriedene Zeit in der Stille dieser Gegend. Ich arbeitete viel, obwohl mir die eher harte, klar begrenzte und farbintensive Meerlandschaft als Gegensatz zu der lichten südlichen Landschaft von Frankreich oft Mühe bereitete.

La Garde-Freinet 1951...

An einem heissen Sommernachmittag, Zikadenklänge im Ohr, im Schatten einer Föhre, arbeitete ich an einem mittelgrossen Oelbild. Kalkfelsen, Kiefern, Korkeichen, das Macquis mit Wachholder, Ginster und Buchsbaum waren das Motiv.
Ich suchte nach Rhythmen, Farbklängen und grossen Zusammenhängen in dieser trockenen, kargen Landschaft.
Plötzlich kam mir die Erkenntnis, dass ich beim Gestalten einer Landschaft letztlich die grossen Richtungen, die Rhythmen, die geometrischen Formen und die Räume suchen muss, um das auszudrücken, was ich durch meine Malerei sagen kann, will und muss!
Nach langen Jahren der Ausbildung und des Suchens habe ich endlich den Weg zu meiner Malerei gefunden und bin ihn bis heute konsequent gegangen...

Farben...

Gelb ist Lichtfarbe, die mitreisst, aufreizt, zum Hinsehen zwingt, Gelb ist die Farbe der Nähe.
Rot markiert Macht, wirkt dominierend, beherrscht, zwingt zu einem Ausgleich, der vielleicht in einem Blauton erreicht werden kann.
Blau, von dunkel bis hell, ist immer beruhigend, strahlt Harmonie und Ruhe aus.
Grün wirkt fröhlich und verbindend, doch muss es mit Vorsicht und meist gebrochen eingesetzt werden.
Violett ist die Farbe von Melancholie, Weite, Abschied, Stille und Ruhe.
Orange hingegen strahlt Wärme aus, wirkt sonnig, besitzt eine grosse Leuchtkraft. Im Gegensatz zu rot und gelb wirkt orange als vermittelnd, verbindend.
Braun ist stark, warm und zuverlässig. Seine Erdhaftigkeit macht sicher und vertraut.

Vorbilder...

Meine grossen Vorbilder sind: Rembrandt, Cézanne, Hodler, Giovanni und Augusto Giacometti, sowie die Maler des Impressionismus und diejenigen der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts.

Musik...

Musik hat in unserer Familie einen wichtigen Platz eingenommen: Mutter spielte die Zither, Vater Viola und Klarinette und ich wurde gezwungen, Geige zu spielen! Dem Wunsch des Vaters, aus mir einen Musiker zu machen, konnte ich aber aus innerem Drang zur Malerei nicht nachgeben. Dafür sind meine drei Töchter diesen Weg gegangen:
Maria ist Pianistin, Laurence Violonistin und Janka Cellistin.

An einem Sommermorgen,
da nimm den Wanderstab,
es fallen deine Sorgen
wie Nebel von dir ab.

Rings Blüten nur und Triebe
und Halme, vom Segen schwer.
Dir ist, als zöge die Liebe
des Weges nebenher.

Des Himmels heitre Bläue
lacht dir ins Herz hinein
und schliesst wie Gottes Treue
mit seinem Dach dich ein.

So heimisch alles klinget,
als wie im Vaterhaus,
und über die Lärchen schwinget
die Seele sich hinaus.